St. Alexanderkirche in Warschau
Religiöses Erbe, Wiederaufbau und Identität. Die St. Alexanderkirche in Warschau im Kontext (Arbeitstitel)
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das schwer beschädigte Warschau als Hauptstadt eines sozialistischen Staates wiederaufgebaut. Eine Hauptstadt ist eine Bühne für Staatsideologie, ihre architektonische Erscheinung eine Plattform für Manifestationen und Feiern, die Stadtlandschaft eine Kulisse für soziales und politisches Leben. Der Nachkriegsumbau zerstörter sozialistischer Städte beinhaltete in der Regel eine Säkularisierung des städtischen Raums. Sakralbauten wurden nachgenutzt, zerstörte Kirchen als Ruine behalten oder abgerissen, beziehungsweise nachgenutzt. Die Säkularisierung der Stadtlandschaft in einigen rekonstruierten sozialistischen Städten drückt die Bedeutung religiöser Bauformen für die Gestaltung der Identität des Ortes aus. In Warschau war der Wiederaufbau von Sakralbauten Teil des Wiederaufbaus der zerstörten Stadt. Kirchen einschließlich Ihrer Türme wurden in die Stadtlandschaft zurückgebracht. Religiöses Erbe ist ein wichtiger Teil der lokalen und nationalen Identität. Im Gegensatz zu anderen sozialistischen Städten, in denen Kirchen zerstört oder als Ruinen für die Gestaltung einer sozialistischen Identität erhalten wurden, kann in Warschau der Wiederaufbau des religiösen Erbes als Instrument zur Wiederherstellung einer nationalen Identität und zur Wiedererstehung Warschaus als Hauptstadt einer unabhängigen polnischen Nation angesehen werden. Die Kirche des Heiligen Alexander ist ein besonderes Beispiel. Die Rekonstruktion dieses Gebäudes in seinen Zustand vor der Umgestaltung im späteren neunzehnten Jahrhundert muss als vorsätzlich verstanden werden. Der Wiederaufbau der Alexanderkirche in Warschau wird zum Akt der Legitimierung der polnischen Volksrepublik als rechtmäßige Nachfolgerin des unabhängigen Polen und Erbe des Staates, der die Verfassung vom 3. Mai 1791 angenommen hat.
Im Fokus der Dissertation stehen u.a. folgende Forschungsfragen: Warum wurde die kriegszerstörte Warschauer St. Alexanderkirche in den Jahren 1949–1952 in der neuen polnischen Volksrepublik neu aufgebaut? Warum erfolgte der Wiederaufbau nach dem ursprünglichen klassizistischen Entwurf von Piotr Aigner (1818–1825) als Pantheon-Imitat und nicht gemäß der historistischen Überformung Józef Pius Dziekońskis (1886–1895), die den Vorkriegszustand bildete? Welche Bedeutung hatte ganz allgemein der Wiederaufbau des religiösen Erbes im sozialistischen Warschau der Nachkriegszeit?
Ansprechpartner