16. Dezember 2022 | Publikation: Architekturgeschichte der Aachener Schule
Die Architekturgeschichte der Aachener Schule
Der Bauhistoriker und Architekt Jan Pieper, der den Lehrstuhl für Architekturgeschichte (damals noch Lehrstuhl für Baugeschichte) der RWTH Aachen bis 2013 innehatte, hat einen architekturnahen, ganzheitlichen Forschungsansatz entwickelt, der auch den heutigen Forschungen der Aachener Architekturgeschichte zugrunde liegt.
Dem Desiderat, die Merkmale und Besonderheiten dieses Forschungsansatzes einmal aus der Perspektive seiner Schüler*innen zu beschreiben, begegnen Anke Naujokat und Daniel Buggert mit ihrem Aufsatz „Die Architekturgeschichte der Aachener Schule“ in der aktuellen Ausgabe der architectura. Zeitschrift für Geschichte der Baukunst – Journal of the History of Architecture (50/2022).
Forschungsprojekte, die Jan Piepers Ansatz folgen, beginnen in der Regel mit einer bis in die Details gehenden Bauaufnahme des konkreten Bauwerks. Durch den nicht selten langen Aufenthalt vor Ort und das akribische Beobachten und Zeichnen des Gebauten entsteht eine auf andere Weise nicht herstellbare Vertrautheit mit der Substanz. Die „präzise Erfassung des Bauwerks in Grundrissen, Schnitten und Ansichten [ist] ein wichtiges Werkzeug und eine zentrale Voraussetzung dafür, das Bauwerk in seinen (…) Bedingtheiten und Abhängigkeiten zu verstehen und auf diese Weise letztendlich zurück zu den Bauideen des Entwerfers zu gelangen“ – eine Annäherung an das Objekt also, die ganz im Sinne eines „Entwerfen rückwärts“ funktioniert, zu welchem ausgebildete Architekt*innen in der Regel fähig sind.
Damit ist es das historische Bauwerk, das als erste und zugleich wichtigste Quelle seiner selbst betrachtet wird und das es während und nach der zeichnerischen Dokumentation sorgfältig bauforscherisch zu befragen gilt. „Nicht selten treten durch die Beobachtungen am Bauwerk völlig neue Erkenntnisse und Fragestellungen zutage, die der rein schriftbasierten Architekturgeschichtsforschung zuvor verborgen geblieben sind.“
Auf Grundlage und unter stetiger Einbeziehung der Ergebnisse der in situ-Arbeiten wird das Gebäude mit Hilfe von kunst- und architekturwissenschaftlichen Werkzeugen und Methoden „in seiner historisch einmaligen, durch Zeit und Ort bedingten Gestalt analysiert und umfassend gedeutet.” Diese Art der Kontextualisierung erlaubt es, die häufig vielschichtigen Bedeutungsebenen eines Bauwerks zu dechiffrieren.
Neben der Erforschung des gebauten Objekts und seiner architekturhistorischen Einordnung erfolgt auf einer dritten Erkenntnisebene zudem eine Suche nach dem „Allgemeingültigen im Speziellen“: Inwiefern werden etablierte Bautypen verwandt oder bewusst abgewandelt? Welche „archetypischen architektonischen Gesten und übergeordneten Baugedanken (…) im Sinne von Piepers »architektonischen Topoi«“ finden wir am zu untersuchenden Beispiel wieder? Anders ausgedrückt befasst sich die Architekturgeschichte der Aachener Schule mit den mannigfaltigen architektonischen Erscheinungsformen des „Gleichbleibenden und Beständigen“. Sie versteht ihre Forschungen demnach nicht als reine, isolierte Fallstudien, sondern auch als Beiträge, die Architekturgeschichte im Allgemeinen zu präzisieren.
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