Blaue Architektur
Blau als Farbe des Himmels und des Meeres ist in der Natur beinahe allgegenwärtig. Traditionell konnotiert mit Weite und Ferne, mit Sehnsucht und Unendlichkeit steht das Blaue auch für das Entstofflichte, das Göttliche, für das Nichtgreifbare, für das Flüchtige.
Die Gründe für den Einsatz des Blauen in der bildenden Kunst und seine wiederkehrende Thematisierung in der Literatur sind wohlerforscht. So wird – um nur zwei Beispiele zu nennen – der Mantel Mariens etwa ab dem 12. Jahrhundert häufig in blauer Farbe dargestellt, und zahlreiche Texte der Romantik behandeln immer wieder den Topos der Suche nach der „blauen Blume“.
Die Gründe für den Einsatz des Blauen in der Baukunst hingegen sind von der Architekturgeschichtsforschung bisher nie grundsätzlich in den Blick genommen worden. Dies ist umso erstaunlicher, als sich die blaue Farbe der betreffenden Bauten in der Regel nicht automatisch aus dem primären Baumaterial ergibt. Vielmehr ist zu beobachten, dass sie erst im Anschluss an ihre konstruktive Errichtung in ein blaues Gewand gehüllt werden, ja dass sie einer – wenn man so möchte – chromatischen Appretur unterzogen werden durch das Aufbringen von Putz, eines Anstrichs oder glasierter Keramik. Demnach ist eine Präsenz der Farbe Blau in der Architektur nie Zufall oder Automatismus, sondern immer zu begreifen als willentliches Resultat einer bewusst getroffenen Entwurfsentscheidung, als ein mit Absicht erzeugtes Charakteristikum des Gebäudes also, welches sie kleidet.
Das Forschungsprojekt „Blaue Architektur“ befasst sich systematisch mit dem Suchen und Finden, Dokumentieren und Deuten blauer Architektur von Babylon bis zur Gegenwart. Einem diachronen, kultur- und typologieübergreifenden Forschungsansatz folgend, werden blaue Räume aller Maßstabsebenen untersucht – ganze Städte, Einzelbauten und Innenausstattungen. Ziel des Forschungsprojekts ist es, Wirkung und Atmosphäre eben dieser Räume präzise zu beschreiben, die jeweilige Entstehungsgeschichte „ihres“ Blaus nachzuzeichnen und damit ihre vielgestaltigen, häufig untrennbar mit der Farbe verbundenen Bedeutungsebenen freizulegen und zu verstehen.
Die Ergebnisse des Forschungsprojekts werden derzeit zusammengefasst in Form eines englischsprachigen Katalogbands inklusive wissenschaftlichen Aufsatzteils.
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