SoSe 2021 | Fàbrica Can Ricart Barcelona

  Perspektivische Darstellung des Werkhofs Urheberrecht: © Signe Schuler
 
 

Die Fàbrica Can Ricart in Barcelona

Masterthesis von Signe Schuler

Die ehemalige Textilfabrik Can Ricart liegt im Innovationsdistrikt 22@ im Bereich von Poblenou in Barcelona. Als einer der größten zusammenhängend erhaltenen Industriekomplexe des 19. Jahrhunderts in Katalonien verweist sie auch heute noch auf die Blütezeit der katalanischen Textilindustrie. 2008 wurde die Fabrik zwar zum Kulturgut von nationalem Interesse erklärt, jedoch liegt sie seitdem verlassen und in ruinösem Zustand zwischen den Bürotürmen, Gewerbebauten und Wohnblöcken der Umgebung. Nachdem bisherige Umnutzungsvorhaben aus finanziellen Gründen, der komplexen städtebaulichen Situation sowie dem Konflikt zwischen Anwohnenden und Investor*innen gescheitert sind, wurde das Baufeld im südlichen Bereich des Grundstückes von der Stadt freigegeben. Da der Bebauungsplan weder die Bestandsgebäude der alten Fabrik noch die Interessen der Nachbarschaft respektiert, soll im Rahmen der fiktiven Entwurfsaufgabe ein zusammenhängendes Umnutzungskonzept für den vorderen Fabrikbereich erarbeitet werden.

Durch die Lage an der Kulturachse Pere IV ist die Unterbringung einer kultur- und kunstorientierten Nutzung dringend erwünscht, sodass im Rahmen des Entwurfes ein Umnutzungskonzept für ein Kunst-, Kultur- und Kreativwirtschaftszentrum erarbeitet wurde. So soll das Gebäude neben einem Ort für interdisziplinäres Arbeiten, initiiert durch die 19 weiterführenden Kunsthochschulen in Katalonien, weiterhin über Mehrfachnutzungen der Nachbarschaft zugänglich gemacht werden. Darüber hinaus sichern Mietflächen und Coworking-Spaces die Wirtschaftlichkeit des Projektes. Das Raumprogramm beinhaltet neben einem Veranstaltungssaal und einer Bibliothek auch Proberäume für Musik, Tanz und Theater. Des Weiteren gibt es studentische Arbeitsräume, verschiedene Werkstätten, Labs sowie einen zentralen Innenhof, der als multifunktionale Außenfläche dient und von der benachbarten Gastronomie mitgenutzt werden kann.

Charakteristisch für das Fabrikgelände Can Ricart sind die verschiedenen Freiflächen und Plätze, die durch die städtebauliche Anordnung der Einzelgebäude entstehen. Diese sorgfältig angelegten, ehemaligen Repräsentationsflächen der Fabrik dienen als Ausgangspunkt für den Entwurf der Umnutzung. Als Gesamtkon­zept des Entwurfes gilt der Grundsatz „In­nenraum, Zwischenraum, Außenraum“. So sollen durch die Umnutzung Übergangs­räume wie überdachte Außenräume und Zwischenzonen zwischen dem Bestand und der Umgebung entstehen. Diese sind auch aus klimatischen Gründen sinnvoll und reagieren auf das mediterrane Mittelmeerklima.
Verschiedene Übergangszonen, wie der Werkhof oder die Vorzone vor dem Veranstaltungssaal, tragen ebenfalls zur Inszenierung des Bestands bei. Darüber hinaus verweisen sie auf die konfliktreiche Zeit von 2005 bis heute, indem sie auf die Rückeroberung des Geländes durch die Vegetation während dieser Zeit anspielen.

Um den Bezug der verschiedenen Einzelgebäude untereinander herzustellen, spielt die Materialität eine wichtige Rolle. In den Bestandsgebäuden der Fabrik und dem eingestellten Baukörper in Nau 11 werden ziegelsichtige Mauerwerkswände verwendet. Dabei handelt es sich um ein regionales, nachhaltig herzustellendes und klassisches Material der spanischen Architektur. Im Gebäudeinneren der Fabrik sollen die Bestandswände gereinigt werden, an den Außenfassaden sollen jedoch die unterschiedlichen Farb-, Material- und Graffitischichten ablesbar bleiben. Für den Entwurf ist darüber hinaus die Farbe Weiß von großer Bedeutung. Wie ein roter Faden funktioniert sie als Verbindungselement aller Einzelbauten. Für den Erweiterungsbau wurde das strukturelle Prinzip des Produktionsraums des 19. Jahrhunderts invertiert, sodass eine filigrane Fassade entsteht, die mit ihren textilen Markisen auf die ehemalige Nutzung des Geländes als Textilfabrik verweist. Die massiven Kerne im Inneren spannen ein Atrium mit Kommunikationszonen auf. Das äußere Skelett ermöglicht flexible Raumgrößen, sodass ein vielseitiger Grundriss entsteht, der auf verschiedene Nutzungsszenarien reagieren kann.

Das Aufmaß, das dieser Arbeit zu Grunde liegt, wurde von Antequem SL | Arqueologia Patrimoni Cultural zur Verfügung gestellt.

 
 

Betreuung

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Anke Naujokat (Prüfung)
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Hartwig Schneider (Co-Prüfung)
Dipl.-Ing. Architektin Verena Hake